Abstand halten! So lautet bekanntlich das Gebot der Stunde, ja der ganzen letzten Zeit. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Über Nähe und Distanz möchte ich mit Ihnen diese Woche nachdenken. 

Kennen Sie die griechische Sage von Daedalus und seinem Sohn Ikarus? Die beiden hatten sich aus Federn, die mit Wachs verklebt waren, Flügel gebaut, mit deren Hilfe sie fliegen konnten. Dann jedoch wurde Ikarus übermütig und flog hoch hinaus, der Sonne entgegen. Und was geschah? Die Hitze der Sonne ließ das Wachs seiner Flügel schmelzen, und er stürzte ins Meer, während sein Vater den Flug unbeschadet überstand.

Zum Glück weniger tragisch, aber dem Sinne nach ganz ähnlich ergeht es Mose: Er begehrt, Gott zu schauen. Der aber antwortet ihm: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ (2. Mose 33,20) Mit Gott ist es so ähnlich wie mit der Sonne, in die wir ja auch nicht direkt hinein sehen können. Immerhin: Mose darf Gott nachher hinterher sehen, heißt es. Soviel Nähe geht in Ordnung, mehr nicht. 

Hier spiegelt sich die alte urmenschliche Erfahrung: Etwas Distanz tut gut. Zuviel Nähe kann blenden, ja man kann daran sterben. Immer wieder gilt es, Nähe und Distanz angemessen auszubalancieren. Corona nötigt uns dazu, das neu zu lernen. Ich denke: Das tut uns gut!

Pastor Jörg Zimmermann, Ev.-luth. Kirchengemeinde Sande

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