Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar.
So will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Das ist eins meiner Lieblingslieder von Dietrich Bonhoeffer. Als Kind habe ich sicher nicht jedes Wort verstanden, aber es hat sich wie eine warme Kuscheldecke angefühlt, die mich ganz einhüllt.
In diesem Jahr hätte ich mich lieber unter der Decke verkrochen. Ich blicke ängstlich ins Ungewisse. Ich höre den vertrauten Klang dieser Worte, habe aber völlig andere Bilder im Kopf –
leere Straßen, Begegnungen auf Abstand, beängstigende Zahlen, erschöpfte Gesichter hinter Masken.
„Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. (…) Eure Gebete und guten Gedanken, Bibelworte, längst vergangene Gespräche, Musikstücke, Bücher bekommen Leben und Wirklichkeit wie nie zuvor. Es ist ein großes unbekanntes Reich, in dem man lebt und an dessen Realität man keinen Zweifel hat. Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: ‚zweie, die mich decken, zweie, die mich wecken‘, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsenen heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“
Diese Zeilen schrieb Dietrich Bonhoeffer an seine Verlobte aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin.
Wieder sind da die vertrauten Worte und ihre Kraft verändern die Bilder in meinem Kopf: Treu und still. An diesen beiden Worten bleibe ich hängen. Es ist als flüstert Gott mir zu: Du siehst mich nicht, du hörst mich nicht, aber ich bin da und gehe mit – immer!
… zaghaft blinzle ich unter der wärmenden Decke hervor und wage einen vorsichtigen Blick auf das neue Jahr.
Nicole Ringsdorf
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