Ein verwackeltes Handybild. Zuerst sehe ich nur schwarz und höre Stimmengewirr – Gesang. Das Bild wird schärfer und ich kann sie sehen, die Menschen auf ihren Balkonen. Jeder für sich, aber gemeinsam singend. Mit einer Stimme – mit einer Stimme gegen Corona – mit einer Stimme gegen die Angst – mit einer Stimme für die Hoffnung. Bilder, die ich in den letzten Monaten sehr häufig im Fernsehen gesehen habe. Menschen, die allem zum Trotz ihre Stimme nicht verloren haben. Diese Balkongesänge haben mich tief berührt.        

Mittlerweile hört man wieder viele unterschiedliche Stimmen: „Völlig übertrieben das Ganze“, sagen die einen. „Viel zu leichtsinnig“, befürchten die anderen. Aus einstimmig ist mehrstimmig geworden. Aber kein harmonischer Kanon, sondern man spürt deutliche Disharmonien. Auch der Umgangston ist Vielerorts rauer geworden und die Menschen dünnhäutiger. Auch mir geht das immer öfter so. Mein Herz sagt mir, es möchte wieder auf Menschen zugehen können, ihnen die Hände schütteln und sie in die Arme nehmen dürfen. Aber mein Kopf weiß, warum das nicht geht. Kopf und Herz übereinander bekommen und dabei noch den richtigen Ton treffen, ist eine große Herausforderung. Wem das gelingt, der kann Frieden finden und Hoffnung schöpfen. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Nicole Ringsdorf

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