Ich sitze in einem Straßencafé, vor mir direkt ein Parkplatz an einer Straße. Bisher haben alle Autos den extra ausgeschilderten Behindertenparkplatz frei gelassen. Doch jetzt steuert ein Zweisitzer-Sportwagen zielsicher darauf zu. „Typisch“, denke ich. Mein Urteil steht fest. „Sicher wieder jemand, der nur zu bequem zum Laufen ist“. Ich überlege tatsächlich schon, ob ich jetzt aufstehe und hingehe und den Fahrer bitte woanders zu parken, „machen Sie doch bitte den Platz hier wieder frei, der ist für Menschen, die ihn wirklich brauchen“.
Es steigt eine ältere Frau aus dem Wagen, schlank und elegant. Während sie ihre Sachen von Beifahrersitz holt, überlege ich gerade auf sie zugehen. Doch dann verharre ich innerlich. Die Frau hat ein Sauerstoffgerät in der rechten Hand, das sie nun mit einiger Mühe in einen Einkaufswagen wuchtet. Von dem Gerät geht ein durchsichtiger Schlauch zu ihrem Nacken, von dort zwei feine Schläuche in ihre Nasenlöcher. Das Sauerstoffgerät ist die quasi ihre Lebensversicherung. Beschämt setze ich mich innerlich wieder hin. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein hatte, diese Frau braucht den Parkplatz in der Nähe des Eingangs zum Supermarkt ganz bestimmt.
Nicht immer ist der erste Blick auch der Richtige.
Rüdiger Schaarschmidt
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