Kürzlich fragte mich jemand: Was ist für dich die größte Entbehrung in dieser Corona-Zeit? Ich antwortete relativ spontan: Dass wir in der Kirche und auch sonst nicht mehr gemeinsam singen dürfen! – Mein Gegenüber blickte mich etwas erstaunt an. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Klar, da gibt es noch andere Dinge: Das Maskentragen nervt, und in der Tat schmerzt es richtig, kaum noch jemanden mal in den Arm nehmen oder ihm zumindest die Hand schütteln zu dürfen, sondern immer auf Distanz zu bleiben. 

Aber das Verbot des gemeinsamen Singens, das geht mir schon ziemlich nahe. Singen – das ist so etwas Urmenschliches: Damit kannst du Gefühle aller Art zum Ausdruck bringen: Freude ebenso wie Schmerz. Unsere Stimme ist so etwas wie DAS ursprüngliche Musikinstrument schlechthin. Du hast sie überall dabei, kannst sie nicht vergessen. Sie will durchaus gepflegt und auch trainiert werden. 

Mein Enkelkind, gerade ein halbes Jahr alt, ist derzeit dabei, seine Stimme zu entdecken. Mal säuselt er vor sich hin, mal fordert er in einem markanten Forte ein, was er gerade möchte. 

„Gott achtet mich, wenn ich bete, aber er liebt mich, wenn ich singe“, sagt der indische Dichter Rabindranath Tagore. Und gemeinsam macht das besonders viel Freude. Schon deshalb sehne ich mich nach dem Tag, an dem wir wieder singen dürfen…

Pastor Jörg Zimmermann, Ev.-luth. Kirchengemeinde Sande

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