Sonntag. Die junge Frau ist neu in der Stadt. Sie ist zum Gottesdienst in die eindrucksvolle Backsteinkirche gekommen. Staunend schaut sie sich um, nimmt die Atmosphäre war, lauscht den Lesungen und der Predigt. Dann folgt das Abendmahl. Alle gehen nach vorn und bilden einen großen Kreis. Auch sie wird mit einer Geste eingeladen hinzuzukommen. Sie steht auf und reiht sich ein – empfängt zunächst das Brot aus der Hand des Pastors.

Sie verfolgt mit den Augen wie er den Wartenden nun den schweren Kelch reicht. Gleich wird sie an der Reihe sein. Sie wird beide Hände brauchen, um das Gefäß zu halten. Kurzentschlossen nimmt sie ihr Baby, das sie den ganzen Gottesdienst über im Arm gehalten hat, und drückt es der älteren Frau, die neben ihr steht, in die Arme.

Die junge Mutter greift nun nach dem Kelch und setzt ihn an die Lippen, trinkt und lässt die Worte nachklingen: „Für dich vergossen“! Dann dreht sie sich der älteren Frau entgegen, die ihren kleinen Sohn hält. Sie blickt in strahlende Augen und bekommt das Kind zurückgereicht.

Nach dem Gottesdienst spricht die ältere Frau die junge Mutter an. Sagt, wie es sie berührt hat, nach sehr langer Zeit einmal wieder ein kleines Kind im Arm zu halten. Ein Bündel Glück!

Natascha Faull / Pastorin im Stadtorden Wilhelmshavens

Hören Sie diesen Beitrag bei Radio Jade:
Alle Beiträge im Überblick | RADIO JADE