„Bilder von Dir überdauern bis in Ewigkeit“, heißt es in einem berührenden Popsong, der ihr aus dem Herzen spricht. Auf dem Nachttisch, im Wohnzimmer und im Flur. Überall hat sie Bilder von ihm. Sie hat Angst, sein Gesicht zu vergessen, seinen Blick, sein Lächeln. Vor drei Jahren musste sie ihn loslassen, aber vergessen darf sie ihn doch nicht. „Unvergessen“ hat sie als Treuegelöbnis auf seinem Grab in Stein hauen lassen. An seine Stimme kann sie sich seit einiger Zeit nicht mehr richtig erinnern, in der Familie und im Freundeskreis wird sie kaum noch auf ihn angesprochen. Wenn sie ihn nicht festhält, wenn sie nicht die Erinnerung an ihn am Leben hält, dann ist er vergessen, dann ist er wirklich tot.

Als die Trauer frisch war, haben sie die Bilder getröstet, so konnte sie ihm nahe sein. Dann stellten sich schöne Rituale ein. Morgens eine Kerze neben dem Foto auf der Anrichte entzünden, abends mit dem Bild in der Hand gute Nacht sagen. Jetzt stehen ihr die Bilder an manchen Tagen im Weg, die ständige Pflicht zur Erinnerung belastet. Dafür schämt sie sich. „Wenn es so weitergeht, finde ich selbst nicht mehr ins Leben zurück“, grübelt sie. Loslassen üben ist schwer. Vielleicht geht es mit anderen gemeinsam besser. Sie greift zum Gemeindebrief und meldet sich über ihre Kirchengemeinde zur Trauergruppe an.

 

Christian Scheuer, Kreispfarrer des Ev.-luth. Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven

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