Es sind nicht sehr viele. Aber immerhin. Es reicht, dass wir die Grundlinien abdecken können. Wir stehen auf dem Grundriss der Synagoge in Wilhelmshaven. Heute, am 9. November, vor 85 Jahren wurde sie niedergebrannt. Ich stehe dort mit anderen zusammen kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel. Verstörende Nachrichten und Bilder. Ein junger Mann weint. Vielleicht hat er Familie in Israel. Die Steine unter unseren Füßen reden. Sie schreien. Unüberhörbar berichten sie von unfassbarem Leid, das vor 85 Jahren Menschen angetan wurde. Unüberhörbar ist die Klage darüber, was Menschen einander antun, wozu sie fähig sind. Überall. Auf allen Seiten. Unüberhörbar flüstern sie mir ins Ohr: „Bleib stehen. Geh nicht weiter ohne hinzuschauen – so schwer das ist, kaum auszuhalten. Mach nicht dicht. Mauer dich nicht ein. Nur so ist es möglich, dass aus den Ruinen eine Welt ersteht, wo Schalom regiert – Friede, Gerechtigkeit …“ Ich höre das. Zweifle, ob ich standhalten kann. Schaue mich um. Ich stehe nicht allein auf diesen Steinen. So kann es gehen. Zusammen geht es.
Ulrike Burkardt, Pfarrerin der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Varel
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