In Lissabon hatte ich einmal die Freude, ein Paar aus Tansania zu trauen. Die Hochzeit in der Kirche ist für 12h00 angesetzt. Es ist ein schwülwarmer Tag, sicher über 35 Grad. Und auf dem Hof vor der Kirche stehen sie alle im Schatten der großen Bäume in ihren todschicken Kleidern und Anzügen. Alle sind da – nur die Mutter des Bräutigams nicht. „Probleme mit den Koffern am Flughafen“ wird mir gesagt. „Sie kommt sicher bald“.
Es wird ein Uhr, und zwei Uhr – keine Mutter. Wir schleppen derweil Unmengen von Wasserflaschen aus dem Keller nach oben: es ist einfach zu heiß.
Aber am erstaunlichsten ist, dass die ganze Hochzeitsgesellschaft völlig tiefenentspannt scheint. Keine Hektik, kein Murren, kein Nachfragen „Wann kommt sie denn nun endlich? Wann geht es los?“
Dagegen Flachsen, Schäkern, viel Lachen. Und viel Wasser natürlich. Auch Braut und Bräutigam sind noch immer gut aufgelegt.
Es wird drei und dann vier Uhr. Ich sage einen Nachfolgetermin ab. Ich frage den Bräutigam nach seiner Mutter – und warum er immer noch so entspannt sei.
„Heute ist meine Hochzeit! Wie kann ich nicht fröhlich sein? “ sagt der Bräutigam.
Ich habe an diesem Tag viel gelernt: Pünktlichkeit kann eine höfliche Tugend sein. Zeit und Menschen aber sind Geschenke Gottes.
Die Mama kam um fünf. Und die Hochzeit war wundervoll.
Stefan Stalling
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